Der Wein ist bereits seit Jahrtausenden tief in der Geschichte der Menschheit verwurzelt. Bereits in der Antike war er Gegenstand vieler Erzählungen. Heute steht Wein für Lebensgenuss und Lebensqualität. „Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.“ Diese Worte soll Johann Wolfgang von Goethe bereits vor rund 200 Jahren gesagt haben und war damit seiner Zeit weit voraus. Denn deutsche Qualitätsweine sind heute auch dank erfolgreicher Rebenzüchtung international immer gefragter.
In Deutschland wachsen Weinreben in 13 verschiedenen Anbaugebieten auf über 100.000 Hektar – vornehmlich im Südwesten und Süden Deutschlands. Das besondere Grenzklima – zwischen dem feuchtwarmen Golfstromklima im Westen und dem trockenen Kontinentalklima im Osten – sowie die lange Vegetationszeit und die geringe Sommerhitze sorgen dafür, dass die Weine aus Deutschland nicht zu alkoholreich, aber dafür in ihrem Geschmack fruchtig und spritzig sind. Die unterschiedlichsten Bodenverhältnisse sowie die 105 Sorten sorgen für echte Vielfalt. Dennoch: Die größten und wohl auch bekanntesten deutschen Klassiker sind Riesling und Müller-Thurgau. Sie wachsen zusammen auf etwa einem Drittel der Rebanbaufläche.
Züchtung sichert vom Aussterben bedrohten Weinbau in Europa
Welche Bedeutung die Züchtung neuer Rebsorten für den Weinbau hat, zeigte eine dramatische Entwicklung vor rund 150 Jahren: Eingeschleppte Krankheiten und Schädlinge sowie daraus resultierende geringe Erträge brachten den Weinbau an den Rand des Ruins. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden amerikanische Wildreben mit vom Aussterben bedrohten europäischen Edelreben in aufwändigen Schritten gekreuzt, um den europäischen Weinbau zu retten. Das Problem: Die Kreuzungen mit amerikanischen mehltauresistenten Wildarten brachten zwar die Resistenz, aber die in den Wildarten vorhandenen schlechten Weinqualitätseigenschaften wurden ebenfalls vererbt.
Rebenzüchtung ist eine Lebensaufgabe
Auch heute treten immer neue Schädlinge und Krankheiten auf. Der Klimawandel begünstigt zudem deren Ausbreitung. Züchtung ist gefragter denn je. Aber Züchtung bedeutet auch Geduld. Die Komplexität der Zuchtziele Resistenz (Echter Mehltau, Falscher Mehltau, Reblaus u. v. m., zudem Frost- und Trockentoleranz), Weinqualität (z. B. Zucker, Säure, Farb- und Aromastoffe) sowie die erforderlichen pflanzenbaulichen Merkmale (Ertragssicherheit, Blüh- und Reifezeitpunkt, Wuchsform etc.) erweisen sich trotz neuester Methoden und wissenschaftlicher Erkenntnisse als eine große Bürde für die Züchter. Die Entwicklung der Rotweinsorte „Regent“, mit der erstmals die Kombination von Resistenz und Qualität weitestgehend erreicht werden konnte, ist beispielhaft dafür: Fast 30 Jahre dauerte es von der Kreuzung im Jahr 1967 bis zur Einführung in die Weinbaupraxis im Jahr 1996.
Die Erfolge der Züchtung auf dem Prüfstand
Ist eine neue Sorte erst einmal am Markt, braucht sie ihre Zeit, bis sie sich durchsetzen kann. Denn die Leistungsfähigkeit des Rebstocks hängt vom Alter ab. In der Regel stellt sich der erste Ertrag erst im dritten Jahr ein. Die höchsten Erträge liefern Rebstöcke bis zum 20. Lebensjahr. Danach verlieren sie an Fruchtbarkeit, gewinnen jedoch mit zunehmendem Alter an Qualität: Je älter ein Weinstock, desto tiefer reichen seine Wurzeln und desto konzentrierter sind die Inhaltsstoffe.
Die Wahl einer Rebsorte ist also eine Lebensentscheidung für den Winzer. Wenn der Winzer im Herbst mit der Lese beginnt, ist dies die spannendste Zeit im Jahr. Er wird feststellen, ob die Rebsorte die Anforderungen an Qualität, Ertrag und Resistenz vereint. Denn jetzt wird sich entscheiden, ob die ganze Mühe des Züchters in der Sortenentwicklung sowie die Pflege des Weinbergs mit einem erfolgreichen Wein belohnt werden.